Neubaugebiete in Duisburg

22.08.2020

Einleitung

In Duisburg werden derzeit größere Neubaumaßnahmen angeschoben, so beispielsweise die in der Print-presse häufig genannten Projekte "6-Seen-Wedau" (externer Link) und "Angerbogen II". Diese Aktivitäten möchten wir zum Anlass nehmen, uns einmal etwas genauer mit den Neubauvorhaben in Duisburg auseinanderzusetzen. An zentraler Stelle steht dabei der Begriff 'Flächennutzungsplan'.

 

Flächennutzungsplan? Was ist das?

Ein Flächennutzungsplan, kurz FNP oder F-Plan, ist ein Instrument der Stadtplanung. Im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung wird darin die zukünftige Art der Bodennutzung festgelegt - textlich wie auch kartografisch.

Besondere Bedeutung hat der FNP für die Ausweisung von Neubaugebieten. Ist eine Fläche im FNP entsprechend ausgewiesen, ist daraus jedoch nicht zwingend eine spätere Bebauung abzuleiten. Auch kann eine Gemeinde die Ausweisung durch eine Änderung des FNP wieder zurücknehmen. Die Vergangenheit lehrt jedoch, dass in der Mehrheit der Fälle früher oder später eine Bebauung erfolgt. In der Bauleitplanung stellt ein FNP die erste Stufe dar, auf dessen Grundlage dann konkrete Bebauungspläne erstellt werden.

Ergänzend muss noch hinzugefügt werden, dass nicht für alle ausgewiesenen Flurstücke eine Bebauung das Entwicklungsziel ist. So können einzelne Flächen auch zu  Sportanlagen, Parkanlagen oder sogar Wald-flächen hin entwickelt werden. Andererseits kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass Grund-stücke, die nicht im FNP enthalten sind, dauerhaft von Baumaßnahmen verschont bleiben.

In Duisburg befindet sich der FNP aktuell in der sogenannten Vorentwurfsphase. Für Details sei auf die Homepage der Stadt verwiesen. Mehr

 

Den Blick weiten!

Der Flächennutzungsplan für Duisburg ist Bestandteil der Stadtentwicklungsstrategie "Duisburg 2027" (externer Link). Aus dem Slogan ist abzulesen, in welchem Jahr der FNP inkrafttreten soll. 2027 klingt wie ferne Zukunft. Dass dem nicht so ist, zeigen die oben genannten Bauprojekte.

Die meisten Bauvorhaben zerstören Natur (was nicht sein muss, worauf wir weiter unten noch zu sprechen kommen). Dabei wird häufig nur das einzelne Vorhaben betrachtet. Welche geschützten Arten kommen auf der zu bebauenden Fläche vor? Wie nachhaltig wird das Landschaftsbild zerstört? Sind Frischluftschneisen betroffen? Das sind zweifelsohne wichtige Fragen - für die einzelne Fläche. Mindestens ebenso wichtig ist es aber, den Blick zu weiten. Wie viele Flächen sollen in einem Stadtteil bebaut werden, wie viele in einem ganzen Stadtbezirk?

Leider wird bei der Stadtplanung dies viel zu selten berücksichtigt. Dort zählt häufig nur das einzelne Grundstück und wie stark dieses von einer Baumaßname in Mitleidenschaft gezogen wird. Erfolgt der Abwägungsprozess zwischen dem Nutzen bzw. dem öffentlichen Interesse auf der einen Seite und dem Ausmaß der Schädigung auf der anderen Seite immer nur flächenspezifisch, könnte dies im schlimmsten Fall dazu führen, ein größeres Gebiet vollständig mit Industrie, Gewerbe und/oder Wohnungen zuzupflastern. Aus diesem Grund ist es von fundamentaler Bedeutung, die Betrachtung größerer Räume viel stärker in den Entscheidungsprozess mit einfließen zu lassen, als es derzeit geschieht.

In der Konsequenz könnte das beispielsweise bedeuten, eine Fläche nicht zur Bebauung freizugeben, wenn die Umgebung bereits einen gewissen Anteil versiegelter Flächen aufweist oder weitere Flurstücke bereits für eine Neubebauung verplant sind.

 

Was steht denn nun drin im FNP 2027?

Um das Thema konkreter zu machen, wurden die im FNP aufgeführten Planungen ausgewertet. Berück-sichtigt wurden dabei zunächst nur die Stadtbezirke südlich der Ruhr (Mitte, Rheinhausen und Süd | Abbildung 1). Die übrigen Bezirke sollen demnächst folgen.

Grundsätzlich ist jede Prüffläche nach demselben Muster aufgebaut. Die erste Seite ist der Steckbrief mit den wesentlichen Kenndaten (Größe, Nutzung nach altem bzw. neuem FNP, kartographische Darstellung, Luftbild, Foto) sowie einer Bewertung der Umweltauswirkungen, die durch die Nutzungsänderung zu erwarten sind. Auf den Folgeseiten werden die Schutzgüter beschrieben (Flora & Fauna, Boden, Wasser, Klima, Landschaftsbild, Mensch & Gesundheit, Kultur) inkl. der prognostizierten Auswirkungen. Jede Darstellung endet mit Maßnahmenvorschlägen zur Verringerung oder Vermeidung dieser Auswirkungen.

Eine Übersichtskarte aller im FNP enthaltenen Flächen zeigt Abbildung 2. Detailkarten der einzelnen Stadtbezirke finden Sie am Ende dieser Seite.

... Fortsetzung unten

 

Abbildung 1: Abgrenzung der Stadtteile südlich der Ruhr (Kartengrundlage: https://www.geoportal.nrw/themenkarten)
Abbildung 1: Abgrenzung der Stadtteile südlich der Ruhr (Kartengrundlage: https://www.geoportal.nrw/themenkarten)
Abbildung 2: Neubaugebiete gemäß FNP (Quelle: https://www.duisburg.de/microsites/pbv/planen_bauen/fnp-vorentwurf-2016.php)
Abbildung 2: Neubaugebiete gemäß FNP (Quelle: https://www.duisburg.de/microsites/pbv/planen_bauen/fnp-vorentwurf-2016.php)

Der FNP aus ökologischer Sicht

Wie nicht anders zu erwarten ergibt sich in der Summe eine Verschlechterung der Umweltbilanz. Während gut 40% der Prüfflächen eine aus ökologischer Sicht leichte bis deutliche Abwertung erfahren, sind Verbesserungen bei lediglich 15% der Flächen zu erwarten. Bei allen anderen (43%) wird sich die Umweltbilanz voraussichtlich nicht merklich ändern.

Schaut man sich die Nutzungen, wie sich derzeit darstellen, genauer an, sind vielfach landwirtschaftliche Flächen oder Flächen mit Grünlandnutzung von einer "Entwicklung" betroffen (knapp 30 der insgesamt 65 Prüfflächen). Entwicklungsziel sind in der Mehrzahl Wohnbauflächen (39 Fälle) bzw. Gewerbe- und Industrieflächen (11 Fälle). Diese Tendenz ist insofern bedenklich, als dass Bauland in der Regel auf solchen Flächen ausgewiesen wird, die heutzutage der Landwirtschaft vorbehalten sind. Wenn wir aber eine Extensivierung in der Bewirtschaftung anstreben, können wir uns einen solchen Flächenverlust nicht leisten.

Gibt es Alternativen? Durchaus!

Anstatt die freie Landschaft für Wohnbebauung zu erschließen, könnte (und sollte) der Fokus auf bereits versiegelte Grundstücke gelegt werden: auf ehemalige Industrie- oder Gewerbeflächen zum Beispiel. Eine weitere Alternative bestünde in der sogenannten Nachverdichtung (Schließen von Baulücken, Aufstocken vorhandener Bebauung). Auf diese Weise wäre es möglich, nicht nur den Flächenverlust zu verringern, sondern auch der weiteren Bodenversiegelung einen Riegel vorzuschieben.

Der FNP bietet in dieser Hinsicht leider viel zu wenig. Von den 61 relevanten Prüfflächen (65 minus 4, auf denen Wald entwickelt werden soll) nutzen lediglich 9 Flächen eine bestehende Versiegelung.

 

Fußnote zur Beurteilung der Umweltbilanz:

Der hohe Anteil an Flächen, bei denen keine wesentliche Veränderung erwartet wird (43%), kommt daduch zustande, dass Landwirtschaft und Wohnbebauung aus ökologischer Sicht als gleichwertig betrachtet wurden. Das beruht auf einer groben Vorklassifizierung, die ohne die Kenntnis näherer Details getroffen wurde. So ist hinsichtlich der gegenwärtigen Nutzung beispielsweise nicht bekannt, wie viel Düngemittel zum Einsatz kommen, wie intensiv der Einsatz von Pestiziden ist oder wie breit die Ackerrandstreifen ausfallen, so sie denn überhaupt vorhanden sind. Und auch die zukünftige Nutzung steht unter großen Unwägbarkeiten: Wie dicht soll die Bebauung werden? Kann das Niederschlagswasser vor Ort versickern? Wird es Auflagen für die Gestaltung von Vorgärten bzw. eine lokale Energieversorgung geben? Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten wurden die folgenden (natürlich stark vereinfachenden) Annahmen getroffen:

Landwirtschaftliche Flächen sind i.d.R. gedüngte und mit Giften behandelte Monokulturen - kurz gesagt: ökologische Wüsten. Auf der Seite der Positiva steht, dass diese Flächen nicht versiegelt sind. Demgegenüber gehen Wohnbebauungen mit einer deutlichen Oberflächenversiegelung einher, bieten aber eine gewisse Abwechslung an Lebensräumen.

 

Was hat Bebauung mit Klima zu tun?

Sehr viel! Bebaute Oberflächen wirken in mannigfacher Weise auf das Klima ein, sei es auf lokaler Ebene wie auch global. Der lokale Einfluss äußert sich in einer Veränderung des Wasser- und Temperaturregimes, während global die CO2-Emissionen hochgetrieben werden. Was genau sich dahinter verbirgt - lesen Sie weiter.

 

A) Regionale Wirkung: Wasserkreislauf

Bauen bedeutet immer auch Versiegeln. Ist eine Fläche versiegelt, z.B. durch Beton, Asphalt oder Pflastersteine, wird dem Regenwasser die Möglichkeit genommen, im Boden zu versickern. Passiert dies großflächig, leidet das Grundwasser, weil es sich durch den mangelnden Nachschub nicht mehr hinreichend regenerieren kann. In der Folge sinkt der Grundwasserspiegel. Das kann dazu führen, dass die Wurzeln von Bäumen trocken fallen.

Das Wasser, das im Boden fehlt, kann andernorts zum Problem werden, nämlich dann, wenn Regen in großer Menge fällt. Von den versiegelten Flächen gelangt es schnell in die Kanalisation und von dort in die Flüsse. Hochwasser droht. Hinzu kommt, dass das wertvolle Nass für Tiere und Pflanzen verloren ist. Ohne Retentionsflächen, d.h. natürliche Flussauen, wird der Regen ins Meer gespült. So bedeutet ein Hochwasser gleichzeitig auch immer Trockenheit, denn jeder Liter Wasser, der von den Kanälen verschluckt und in den nächsten Fluss geleitet wird, fehlt dem Boden und damit dem Grundwasser.

 

B) Regionale Wirkung: Wärme

In gewisser Hinsicht sind Städte mit Inseln vergleichbar. Zwar sind sie nicht von Wasser umgeben, wohl aber von Regionen mit kühlerer Luft. Im Jahresdurchschnitt beträgt der Unterschied zwischen Stadt und Umland etwa 2°C, kann aber in den Sommermonaten auf bis zu 10°C ansteigen. Die Intensität des Effekts ist abhängig von verschiedenen Parametern (Stadtgröße, Baudichte, Verteilung von Grünflächen), wird aber vornehmlich von dem Anteil bebauter und damit versiegelter Flächen bestimmt. Die Baustoffe (Beton und Asphalt) werden tagsüber von der Sonne aufgeheizt und geben diese Wärme während der Nachtstunden langsam wieder ab. Auf diese Weise entsteht ein eigenes Stadtklima, das noch verstärkt werden kann durch ein zu Wenig an Grünanlagen: Bäume spenden Schatten und kühlen die Luft, indem sie Wasser über ihre Blätter verdunsten. Ist zu wenig Grün vorhanden, fällt dieser kühlende Effekt weg.

 

C) Globale Wirkung: CO2-Ausstoß

Die wohl schädlichste Wirkung des Bauens aber stellt der Baustoff selbst dar bzw. einer seiner Bestandteile: Zement. Ausgangsprodukt ist Kalkstein. Dieser wird in Mahlwerken gebrochen, weiter zerkleinert und schließlich gebrannt. Für diesen letzten Vorgang ist eine Temperatur von knapp 1.500°C nötig, weshalb der Einsatz ungeheurer Mengen an Energie nötig ist. Dabei entsteht natürlich CO2: etwa 1 Tonne pro Tonne Zement. Man schätzt, dass die Zementherstellung für mindestens 5% der jährlichen CO2-Emissionen verantwortlich ist.

Wer mehr darüber erfahren möchte: Die ZDF-Sendung planet e. widmete sich 2018 diesem Thema. Hier der Link: Zement, der heimliche Klimakiller (Video verfügbar bis 10.01.2023).

 

Was ist zu tun?

Die Konsequenzen liegen klar auf der Hand:

Keine weitere Versiegelung!

Eine solche Forderung bedeutet nicht, dass nicht mehr gebaut werden darf. Letztlich geht es darum, faktisch keine Neu-Versiegelung zu schaffen. Wo gebaut wird, sollen entweder Flächen so aufbereitet werden, dass das Regenwasser der Hausdächer an Ort und Stelle versickern kann, oder es muss an anderer Stelle ein Ausgleich geschaffen werden - Stichwort: Entsiegelung.

 

Versickerungsflächen schaffen!

Wahrscheinlich wird es nicht reichen, eine Netto-Null-Versiegelung zustande zu bekommen. Nach den Prognosen der Klimamodelle werden Extremwetter-Ereignisse zunehmen. Das bedeutet eine höhere Wahrscheinlichkeit für Starkregen, aber auch für längere Trockenphasen. Wenn wir etwas aus den letzten Jahren gelernt haben, dann, dass der Klimawandel nicht länger auf Polregionen, Inselstaaten oder Dritte Welt-Länder beschränkt ist. Er hat auch uns erreicht. Das sollte uns eine Warnung sein. Dürren schädigen uns alle. Wir sollten also alles daran setzen, Regenwasser zurückzuhalten, nicht nur von Hausdächern, auch von Verkehrsflächen. Straßen müssen, ebenso wie Dächer, vom Kanalnetz abgekoppelt werden. Hierzu gibt es bereits erfolgversprechende Modellversuche, durch die das Wasser in straßenbegleitende Grünflächen geleitet wird. Regenwasser ist ein wertvoller Rohstoff und hat in der Abwasserkanalisation nichts zu suchen!

 

Mehr Grün in die Stadt!

Bäume sind Leben. Sie spenden Schatten, filtern die Luft, dämpfen Lärm, befeuchten die Luft und sorgen für Abkühlung. Sie sind Lebensraum für Insekten und Vögel, sie inspirieren und sorgen für Freude und Entspannung. Es gibt also viele Gründe, um jeden Baum zu kämpfen.

 

Abschließend wieder zurück zum FNP

Nachfolgend werden die Karten der einzelnen Stadtbezirke bereitgestellt, damit sich jeder ein Bild machen kann, wo in den nächsten Jahren Bauaktivitäten in Duisburg zu befürchten sind.

Es besteht die Möglichkeit, die Karten in einer geringeren Auflösung online anzusehen (klicken Sie dazu auf die gewünschte Kachel) oder sie in deutlich höherer Auflösung per Download auf den lokalen Rechner zu kopieren (beachten Sie bitte die Dateigrößen).

Stadtbezirk Rheinhausen

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Stadtbezirk Mitte

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Stadtbezirk Süd

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