Neu-Versiegelung in Duisburg

22.07.2021

Wasser ist für den Menschen unentbehrlich, kann unter bestimmten Umständen aber zur Gefahr werden. Die Bilder aus der Eifel sind uns allen noch präsent. Zugegeben, die Fluten, die in diesem Juli dort vom Himmel stürzten, waren außergewöhnlich, aber solche Ereignisse werden sich in Zukunft häufen. Unbestritten ist, dass der Klimawandel Extremwetterlagen begünstigt bzw. verschärft. Wenn Regen ausbleibt, fehlt er für Wochen und Monate, und wenn er zurückkehrt, kommt er in Massen – und die Intensität der Dürren wie auch die Mengen an Wasser werden zunehmen.

 

Umso wichtiger ist es, dass wir Vorsorge treffen. Die Entscheidungsträger in Duisburg scheinen dies nicht wahrhaben zu wollen oder bewusst zu ignorieren, denn die Stadt ist im Begriff, den Weg in die nächste Katastrophe mit Beton zu ebnen. Der Begriff ‚Flächenverbrauch‘ hört sich harmlos an. Die Konsequenzen daraus können so aussehen wie die Bilder, die derzeit die Nachrichten prägen.

 

Natürlich liegt Duisburg nicht in den Bergen, wird folglich nie mit den Problemen zu kämpfen haben, die von Hängen herabschießendes Wasser mit sich bringen. Wir haben unsere eigene Besonderheit und die heißt ‚Versiegelung‘. Duisburg asphaltiert sein Stadtgebiet, als gelte es, eine Meisterschaft zu gewinnen. Dabei hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch bis 2030 auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Ursprünglich lag dieser Wert sogar nur bei 20 Hektar, und der Wert von 30 Hektar sollte bereits im Jahr 2020, also heutzutage, erreicht sein. In der Realität werden bundesweit aber immer noch rund 50 Hektar pro Tag in Anspruch genommen.

 

Das größte Problem einer solchen Zielmarke ist die Tatsache, dass die Festsetzung für das gesamte Bundesgebiet getroffen wurde, die Umsetzung, sprich die Festsetzung von Entwicklungszielen und vor allem die Genehmigung von Baumaßnahmen zumeist aber auf kommunaler Ebene erfolgen. Weder gibt es eine übergeordnete, koordinierende Instanz, noch wurde die bundesweite Zielmarke auf die Bundesländer bzw. die einzelnen Kommunen heruntergebrochen. Für das Stadtgebiet von Duisburg wollen wir das jetzt einfach mal machen. Die Rechnung ist ja nicht schwer.

 

Die Gesamtfläche von Deutschland beläuft sich auf 357.580 km2, die der Stadt Duisburg auf 232 km2. Bei einem Zielwert von 30 Hektar würden auf die Stadt 0,02 Hektar pro Tag bzw. 7,1 ha pro Jahr entfallen. Darin enthalten sind Flächen für Wohnen, öffentliche Zwecke, Handel, Gewerbe, Industrie, Freizeit und Sport. Nicht alle diese Flächen werden versiegelt (z. B. Gärten oder sonstige Grünanlagen). Bei der Inanspruchnahme von Flächen geht man gemeinhin von einem Versiegelungsgrad von etwa 50 % aus. Daher halbiert sich der genannte Wert auf etwa 3,5 ha. Das ist also die Neu-Versiegelung, auf die Duisburg bis zum Jahr 2030 hinzuarbeiten hat.

 

Die Realität indes zeichnet ein anderes Bild. Dabei soll nicht auf die Fehlentwicklungen der letzten Jahre geschaut werden. Die Vergangenheit lässt sich in den meisten Fällen nicht ändern. Was aber plant die Stadt für die kommenden Jahre? Genau das steht im Flächennutzungsplan. Dort ist festgelegt, wie die Stadt sich die Zukunft für die Flächen im Außenbereich vorstellt. Der Außenbereich ist ein Begriff aus dem Baugesetzbuch und bezeichnet, vereinfacht gesagt, alle nicht zusammenhängend bebauten Flächen und damit jene Bereiche, die Bürgerinnen und Bürger gemeinhin als Freiflächen ansehen (weitere Details dazu siehe hier).

 

Nimmt man die Zahlen aus dem Flächennutzungsplan, wird im Stadtgebiet von Duisburg bis 2027 voraussichtlich eine Fläche von über 200 ha neu versiegelt und damit mehr als viermal so viel wie von Berlin vorgegeben (siehe Abbildung).

 

Hierbei soll nicht verschwiegen werden, dass die Berechnungen auf groben Annahmen beruhen. Einerseits wird nicht jede entsprechend ausgewiesene Fläche auch tatsächlich bebaut; zudem kann der konkrete Versiegelungsgrad der Grundstücke zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nur geschätzt werden. Aber es zeigt die Richtung auf, in die in den Chef- und Planungsetagen der Stadt gedacht wird. Von Nachhaltigkeit will man dort offenbar nichts wissen.

 

Dabei könnte man durchaus auf dem Standpunkt stehen, dass man sich in einem Ballungsraum wie dem Ruhrgebiet, einer Region also, die von einer hohen Bevölkerungsdichte geprägt ist, die Möglichkeit offenhalten muss, über Zielwerte hinauszugehen, um genügend Wohnraum und Infrastruktur für die Bevölkerung zu schaffen. Wo, wenn nicht im Ruhrgebiet, sollte man Bauland zur Verfügung stellen dürfen? Eine solche Sichtweise greift jedoch zu kurz. Die Natur kennt kein Mitleid, nimmt auf niemanden Rücksicht. Je mehr Landschaft unter Beton und Asphalt verschwindet, desto stärker sind die Auswirkungen von Hitze und Starkregen. Das Argument, eine Stadt müsse wachsen, kehrt sich schnell ins Gegenteil, wenn ältere Menschen an der Hitze sterben oder der erste Deich bricht. Wasser sucht sich seinen Weg – umso zerstörerischer, je mehr es eingeengt wird.  Die Katastrophe in der Eifel sollte uns eine Warnung sein.

 

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* Die Vergleichswerte für Duisburg beruhen auf groben Annahmen. Wegen dieser Unschärfe werden die Zahlen nicht als diskrete Linie, sondern in Form einer Wolke dargestellt. Größe und Lage der Wolke sind das Ergebnis einer Extrapolition. Es wurde berechnet, wie viele Hektar zusammenkämen, wenn bundesweit eine ähnlich hohe Versiegelungsrate wie in Duisburg zu beobachten wäre. Die Abnahme der jährlichen Neu-Versiegelung in Duisburg (Neigung der Wolke) orientiert sich in etwa an der bundesweit angestrebten Reduktionsrate.

 

 

Wer sich  über das Thema ‚Flächenverbrauch‘ und seine zahlreichen Facetten informieren möchte:

Der NABU-Bundesverband hat hierzu eine informative Seite zusammengestellt. Weitere Informationen gibt es beim Umweltbundesamt oder in einer Broschüre des „Rates für Nachhaltige Entwicklung“.

Sehr zu empfehlen ist auch das Buch „Verbietet das Bauen!“ von Daniel Fuhrhop. Darin umreißt der Autor nicht nur die negativen Auswirkungen des Bauwahns, sondern zeigt auch Alternativen auf.

Ebenfalls zu empfehlen ist das Video „Über nachhaltiges Bauen“ im YouTube-Kanal von Tilo Jung.  Zu Gast bei Tilo ist die Architektin Annette Hillebrandt, Professorin an der Bergischen Universität Wuppertal und Verfechterin des nachhaltigen Bauens. Wer es sich anschauen möchte, benötigt allerdings Sitzfleisch – das Interview geht über fast 3 Stunden. Aber es lohnt sich.